Ich soll also den Meerschweinchenzähnen auf den Zahn fühlen

 

Vorab möchte ich nochmal betonen, dass ich keine medizinische Ausbildung habe. Mein Wissen beruht auf jahrzehntelanger Eigenerfahrung und vielen Gesprächen mit Tierärzten und Meerschweinchenhaltern. Meine Aussagen sollen nur zum Nachdenken anregen, sie erheben keinen Anspruch auf Richtigkeit. Gerne nehme ich an regen, aber von beiderseitigem Respekt geprägten Diskussionen teil. Beiträge, die ich als beleidigend empfinde, werden gelöscht.
So viel vorab, nun geht es los!

 

Zähne, Meerschweinchen haben 20 Stück davon. Vier Schneidezähne, jeweils zwei oben und unten, wobei die oberen über die unteren Zähne beißen und Backenzähne. Die unteren Schneidezähne sind ein gutes Stück länger als die oberen. Interessanterweise kommen Meerschweinchenbabys schon mit den „bleibenden“ Zähnen auf die Welt. Sie verlieren ihre Milchzähne schon im Mutterleib. Da kommt keine Zahnfee hin ;-).
Ihre Beißerchen wachsen ein Leben lang, und zwar alle Zähne, auch die Backenzähne! Etwa 5 mm sind es im Monat. Meerschweinchen können das Wachstum ihrer Zähne nur dadurch im Zaum halten, dass sie diese abnutzen. Das passiert durch den Gegendruck den der untere und obere Zahnpartner aufeinander ausüben. Da Meerschweinchen dies aber nicht grundlos tun, muss Futter mit im Spiel sein. Nicht nur die Zähne, sondern auch die gesamte Verdauung unserer Meerschweinchen ist auf die häufige und langfristige Aufnahme von raufaseriger Nahrung ausgelegt.

In der Regel kommen Meerschweinchen mit einem perfekten Gebiss auf die Welt. Ab da kommt es auf die richtige Ernährung an, ob das auch so bleibt. Was ist denn nun das beste Futter für die Zahngesundheit?


Achtung, bislang gab es Fakten, nun kommt meine eigene Theorie ins Spiel:
Sehr gutes Zahnfutter ist alles Faserige. Dazu gehören in den Sommermonaten viel frische Wiese mit den verschiedenen Kräutern und Gräsern. Wer sich das Wiesenfutter schon einmal genauer angesehen hat, wird bemerkt haben, dass die Halme und Stängel oft sehr fest sind, wie beim beliebten „Schneidegras“. Ideale Nahrung, da es auch noch sehr gerne von den Nasen gefuttert wird und kostenlos ist. Meinen Meerschweinchen merkt man deutlich an, dass sie die frische Wiesenmischung dem hauseigenen, dünnen Gartengrashälmchen eindeutig vorziehen. Siegt da der Instinkt den Zähnen zuliebe???

Nun steht uns die Wiese leider nicht ganzjährig zur Verfügung und Stadtbewohnern manchmal gar nicht. Was dann? Jetzt kommt der Wiesenersatz zum Einsatz – Heu! Gutes Heu ist Wiese ohne Wasseranteil mit weniger Nährstoffen. Das ist trocknungs- und lagerungsbedingt.


Ich möchte an dieser Stelle nicht diskutieren, ob erster oder zweiter Schnitt. Meine futtern den zweiten Schnitt. Das hier sogenannte Pferdeheu ist ihnen zu grob und wenn sie es kaum fressen, nützt es den Zähnen weniger als das stundenlang gemümmelte Grummet. Gutes Heu wird eigentlich auch sehr gerne und ausdauernd gefressen, wenn es nicht etwas Leckereres gibt. Zum Beispiel Obst und Gemüse. Ich will an dieser Stelle keinesfalls das Frischfutter in Form von Gemüse und Obst (wobei ich kein Freund von Obst für Meerschweinchen bin) verteufeln, sondern nur zum Überprüfen der Portionen anregen. Fast alle Salate, Gurken, Tomaten, Äpfel, Paprika usw. sind eher weich in ihrer Struktur, wässrig, schnell gekaut und abgeschluckt. Sie sättigen und bringen (hoffentlich) alle notwendigen Nährstoffe mit sich, aber tun nur bedingt dem Zahnabrieb gutes. Meiner Meinung nach ist die Fütterung von großen Portionen von Gemüse und Obst suboptimal, weil es die Tiere weniger Heu fressen lässt! Natürlich hört und liest man häufig wie wertvoll die „ad libitum“- Fütterung ist (gemeint ist eine Fütterung von so viel Frischfutter, dass die Tiere selber wählen können was ihnen gerade schmeckt), aber ich glaube nicht, dass damit ausschließlich (Super-)Marktgemüse gemeint ist. Ein großer Teil sollte unbedingt aus Laub, Baumtrieben oder anderem Frischfutter mit viel Struktur bestehen. Kräuter im Allgemeinen rate ich nur mit Bedacht zu füttern, und den Calciumgehalt zu bedenken!
Wenn sich die Meerschweinchen nun nicht den Bauch ausschließlich mit Gemüse und Obst vollschlagen können, fressen sie mehr Heu. Ein Gewinn für die Zähne! Leider denke sehr viele Halter, dass sie mit überdimensionierten Gemüseportionen eine perfekte, naturnahe Fütterung betreiben.

 

Wie ich schon sagte, will ich Gemüse nicht verteufeln, aber für die Mengen sensibilisieren. Ich füttere in den Herbst- bzw. Wintermonaten zwei Mal täglich verschiedene Gemüse. Sie werden selten total aufgefressen, meist bleiben ein paar ungeliebte Möhren, halbe Rote Beete, Zucchini, angefressene Äpfel oder ähnliches liegen. Zudem gibt es bei meiner Außenhaltung das Frischfutter draußen in den überdachten Teilen des Geheges (nur nicht in Frostzeiten). Heu gibt es drinnen. Bei ungemütlichem Wetter oder nachts wird dann eher das Heu angegangen, bevor die Vierbeiner rausgehen.

Gerne werden auch Äste und Zweige von verschiedenen (Obst)Bäumen (es sind alle Obstbaumsorten fressbar) angenommen. Die Rinde wird regelrecht abgeschält und muss ordentlich gekaut werden. Eine schöne und gesunde Beschäftigung! Völlig ungeeignet ist dagegen hartes Brot. Abgesehen von den ungesunden Inhaltsstoffen wie Weißmehl und Salz wird es schnell eingespeichelt und weich. Kein Gewinn für den Zahnabrieb.

Ob meine Fütterung nun das non-plus-ultra ist, weiß ich nicht, aber ich kann sagen, dass ich keine bis wenige Zahnprobleme bei meinen Rentnern habe.

Übrigens füttere ich im Herbst/Winter auch pelletiertes Trockenfutter! Da es dazu aber wie erwähnt 2 x täglich Frisches und schönes Heu gibt, fülle ich den Napf nur etwa zweimal in der Woche nach. Meine Süßen nehmen sich ab und zu im Vorbeigehen ein Pellet. Von dauerhaftem Fressen kann hier keine Rede sein. Ich will damit die Grundversorgung an Nährstoffen sichern, da ich nicht glaube, dass das unreif geerntete und eingeflogene Gemüse/Obst wirklich viele Nährstoffe enthält.

Zahnprobleme:
Durch Verletzungen können die Zähne abbrechen. Normalerweise kommen sie durch ihr schnelles Wachstum bald wieder nach, trotzdem muss der Gegenzahn des Abgebrochenen dringend beobachtet und vom Tierarzt eingekürzt werden, bis der Zahnpartner wieder vollständig da ist. Leider gibt es auch Unfälle, bei den der Zahnwurzel verletzt wird. Manchmal wächst der Zahn dann mit schlechtem Zahnmaterial nach und zerbröselt immer wieder oder er kommt gar nicht mehr. Es hilft dann das Frischfutter zu stifteln. Die Tiere lernen normalerweise schnell diese Gemüsestifte bis zu den Backenzähnen reinzuschieben und zu fressen. Allerdings bleibt der regelmäßig Gang zum Tierarzt zur Zahnkürzung nicht aus.
Bei unzureichendem Abrieb der Backenzähne kann es spitze Ecken an den Zähnen geben, die in das Zahnfleisch drücken. Auch hier kann nur der Tierarzt helfen. Manchmal geht das Wachstum der Backenzähne soweit, dass sie schräg nach innen wuchern und sich in der Mitte treffen. Eine schmerzhafte Zahnbrücke ist entstanden, die die Zunge einschließt. Jetzt ist eine Zahn-OP unter Vollnarkose nötig. Ob die, nach innen gekippen Backenzähne dauerhaft korrigiert werden können, ist fraglich.
Die vorderen Schneidezähne sind für uns gut zu kontrollieren. Sind die schief oder V-förmig abgenutzt oder gehen sogar auseinander deutet das auf ein Problem der Backenzähne hin. Bitte dringend einen Tierarzt aufsuchen!
Dunkelfärbung kann eine unzureichende Mineralisierung sein. Ich hatte das mal bei einem Baby. Es war der Kleinste aus einem 6er Wurf. Er hatte erschreckend schwarze Zähne. Eine Züchterin gab mir den Tipp ihm Trockenfutter (trotz Sommer-Wiesenfütterung) anzubieten, da er vielleicht durch die vielen, besser gewachsenen Geschwister zu wenige Mineralien abbekommen hat. In der Tat! Da die Zähne ja wachsen und der Zwerg gut versorgt war mit Mineralien wuchsen seine Zähne schneeweiß nach!

Nicht nur zahnfeindliche Fütterung, sondern auch Veranlagung kann zu Zahnproblemen führen. Ein Züchter sollte über Probleme informiert werden, um andere Tiere dieser Zuchtlinie und ihre Zähne im Auge zu behalten. So kann er ggf. sinnvoll zum Wohle der Tiere handeln. Ein guter Züchter wird dankbar für eine Rückmeldung sein.
Ich wünsche mir, dass alle unsere Schweinchen ein Lebenlang kraftvoll und problemlos zubeißen können!